Waldlandschaft mit Rindern . Ölbild von Louis Coignard . Frankreich, 1870er Jahre

Stories

Vier Fotografinnen. Vier Lebensläufe. Ausstellung in den Kunstsamlungen Chemnitz

Die Kunstsammlungen Chemnitz zeigen vom 11.2. bis zum 09.06.2024 die Ausstellung „Vier Fotografinnen – vier Lebensläufe“. Das Spannende: diese Fotografinnen lebten und arbeiteten in der DDR, einem Land, in dem die „Diktatur der Arbeiterklasse“ das tägliche Leben bestimmte und für viele seiner Bürger einengte oder gar abschnürte. Zur Eröffnung gab es einen Ansturm, wie ihn die neue Generaldirektorin Florence Thurmes und Ausstellungskuratorin Johanna Gerling selbst nicht für möglich gehalten hatten – offenbar traf das Thema genau ins Schwarze und einen Nerv der Zeit.  

Die Fotografinnen Christine Stephan-Brosch, Evelyn Krull, Gerdi Sippel und May Voigt begegneten der DDR-Realität mit unterschiedlichen Ansätzen und Strategien, die nun erstmals in einer Ausstellung der Graphischen Sammlung nebeneinanderstehen. 35 Jahre nach dem Fall der Mauer scheint der Abstand groß genug zu sein, um die Arbeiten aus jener Zeit sachlich beurteilen zu können. Kuratorin Johanna Gerling hatte im Vorfeld Kontakt mit den Fotografinnen bzw. deren Hinterbliebenen aufgenommen und eine Schau zusammengestellt, die vier sehr unterschiedliche Handschriften bzw. Sehweisen in ihrem soziokulturellen Kontext zeigt.

Die jüngste der vorgestellten Fotografinnen war May Voigt, die zum Zeitpunkt der Wende erst 29 Jahre zählte. Sie ist als einzige der vier Frauen bereits verstorben. Sie orientierte in ihren Anfängen an der ebenfalls vertretenen Christine Stephan-Brosch, fand aber bald zu einer ganz eigenen Bildsprache. Mit einer von ihren Eltern zum 18. Geburtstag geschenkten Pentacon Six (benannt nach dem Negativformat 6 x 6 cm) arbeitete sie bis 1990, gelegentlich aber auch mit einer auf dem DDR-Schwarzmarkt erstandenen Yashika. Angeregt und beraten durch Stephan-Brosch und unterstützt durch die damalige Leitung der von der Obrigkeit verhassten, bei den auf Gegenwartskunst hungrigen Besuchern jedoch heiß geliebten „Galerie oben“ in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) begann May Petermann, wie sie damals noch hieß, 1979 ein umfängliches fotografisches Gedächtnis der Ausstellungen und vor allem der legendären Mittwoch-Galerieabende anzulegen. Die stille und zurückhaltende, aber keineswegs kontaktscheue Fotografin, die bereits seit ihrer Schulzeit fotografierte, war den Besuchern der stets rappelvollen Galerie bald als ständige Begleiterin des mehr oder weniger subversiven Geschehens bekannt. Die Aktivitäten der Galerie wurden von über 100 Informanten der Staatssicherheit überwacht und auch über May Petermann, seit 1986 verh. Voigt, Erkundigungen und Berichte eingezogen. Freilich konnte das ganze Ausmaß erst nach der Einsicht in die Unterlagen des MfS nach dem Fall der Mauer erkannt werden. Diese Enthüllungen waren für die Fotografin schockierend. May Voigt zog sich nach diesen traumatischen Erfahrungen weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück und beendete für längere Zeit ihre freikünstlerische Arbeit.
Sie widmete sich nun anderen fotografischen Tätigkeiten, etwa im Bereich der Denkmalpflege und der Museen, und war viele Jahre als Lehrbeauftragte für Fotografie an der Westsächsischen Hochschule Zwickau / Fakultät Angewandte Kunst Schneeberg tätig. Auch gründete sie den kleinen Verlag „Edition Mobilis“, in dem sie mit ihrem Mann ausschließlich historische und künstlerische Themen verlegte. 
Die neben den Künstlerporträts in den 1980er Jahren entstandenen freien Arbeiten wurden von May Voigt selbst „schwarze Bilder“ genannt. Die düster wirkenden, mit dem Kontrast tiefdunkler Flächen und grellweißen Lichtern spielenden Aufnahmen waren ein Spiegelbild ihrer Seele. Angst und Beklemmung sind in vielen dieser grafisch wirkenden Bilder abzulesen und die Bildtitel sprechen für sich. 
Seit 1980 fertigte sie Abzüge im damals größtmöglichen Format 50 x 60 cm, wobei es ihr wichtig war, dass von den einzelnen Motiven nur ein oder zwei auf Papier entstanden. Sie pflegte den Unikatcharakter, zumal an ein Verkaufen ihrer Abzüge in der DDR ohnehin kaum zu denken war. Aus ihrem riesigen Negativarchiv vergrößerte sie vergleichsweise nur wenige Aufnahmen, und stets dann, wenn ihr mental danach zumute war. So konnten Negative jahrelang wie ein Tagebuch verborgen liegen bleiben, bis ein Ereignis oder eine Stimmung sie ans Tageslicht förderten. Die Entstehung von Aufnahme und Papierabzug fällt also zeitlich selten zusammen.
Sie schlich durch Industriebrachen, Kellergewölbe, Fabrikruinen und einsame Gegenden. Traurig bewegt war sie lange Zeit nach einem selbst organisierten Besuch des Karl-Marx-Städter Schlachthofes, wo sie schlimme Dinge gesehen haben muss. Am Tierwohl interessiert, hatte sie bösen Gerüchten nachgehen wollen und sich unter dem Vorwand, den „Einsatz der Werktätigen in der sozialistischen Tierproduktion“ zu dokumentieren, dort eingeschlichen. Ihre Ergebnisse dürften die staatlichen Organe nicht erfreut haben. Auch nicht die Resultate ihrer fotografischen Ausflüge auf den verfallenden Karl-Marx-Städter Sonnenberg, wo sie mehrmals von Herren in Zivil festgehalten wurde, denen es verdächtig vorkam, dass sich eine junge Fotografin für marode Häuser interessierte.

Während ihr in der DDR nur wenige Podien zur Verfügung standen, fühlte sich May Voigt in Polen wohl, wo sie an Plain Airs teilnahm, Gleichgesinnte kennenlernte und Auszeichnungen entgegennahm. Das waren ihre „Lichtblicke“, wie sie es selbst ausdrückte.
Zur ersten freien Wahl in der DDR 1990 gab es im neu etablierten "Haus der Verbände" in Karl-Marx-Stadt ihre Ausstellung "Wo ein Genosse ist, ist die Partei" zu sehen – ihre spontane Abrechnung mit dem verhassten System.

von oben nach unten:

Angstraum . Fotografie 50 x 60 cm . Kunstsammlungen Chemnitz

Das gefrorene Lächeln . Fotografie 50 x 60 cm . Kunstsammlungen Chemnitz

Gerhard Altenbourg beim Signieren . Fotografie 18 x 24 cm . Privatbesitz

 

 

„Allerley Kunststück“ jetzt in Marktredwitz

In verkleinerter Form ist die Ausstellung über Egerer Reliefintarsien nun im Egerlandmuseum in Marktredwitz zu sehen. Am 17. Mai 2023 wurde die Exposition eröffnet, Prof. Jochen Voigt aus Chemnitz hielt den Einführungvortrag.
Das Museum steuert mit seinem sogenannten „Poseidonkabinett“, einem opulenten Möbel aus der Werkstatt des „Meisters mit dem ornamentierten Hintergrund“, selbst einen bedeutenden Beitrag zu Austellung bei. Mit diesem Kunstkammermöbel fühlt sich Prof. Voigt eng verbunden, denn bereits vor 26 Jahren verfasste er ein Fachgutachten über das Stück. In seinem Buch „Für die Kunstkammern Europas. Reliefintarsien aus Eger“ von 1999 räumte er dem Möbel reichlich Platz ein. Seither hat er die Kenntnis über die Tätigkeit des namentlich unbekannten Meisters um wesenliche Fakten erweitern können, die nun im Begleitbuch zur Ausstellung publiziert sind.
Die Ausstellung in Marktredwitz ist bis zum 29. Oktober 2023  dienstags bis sonntags 14 bis 17 Uhr zu sehen.

ACHTUNG! Die Ausstellung wurde bis zum 21.01.2024 verlängert!
 

„Allerley Kunststück“ in München

Am 14. Juli 2022 wurde im Sudetendeutschen Museum in München die Ausstellung „Allerley Kunststück – Reliefintarsien aus Eger“ eröffnet, die sich unter besonderer Berücksichtigung der weltgrößten Privatsammlung Egerer Reliefintarsien (angelegt durch den aus dem Egerland stammenden Textilfabrikanten Erich W. Pasold) den Meisterleistungen der Egerer Künstler widmet. In einer schatzkammerartigen Installation sind drei Dutzend Objekte dargeboten: Kabinettschränke, Brettspiele, Schatullen und Einzeltafeln. Leihgaben aus dem Bayerischen Nationalmuseum und dem Egerlandmuseum Marktredwitz ergänzen die Ausstellung.
Ein mit viel Aufwand produziertes Video (dreisprachig deutsch, tschechisch und englisch) erklärt in der Ausstellung die Arbeitsweise der„Bilderschneider“, wie man die Egerer Künstler im 17. Jahrhundert nannte.
Prof. Jochen Voigt, der beratend an der Ausstellung beteiligt war, verfasste 2021/22 den größten Teil des umfangreichen Katalogbuches, das zweisprachig (in deutsch und tschechisch) erschien. Auf Einladung des federführenden Sudetendeutschen Museums steuerte er seine neuesten Forschungen zum Thema bei. Die beiden anderen Autoren sind Eva Haupt M.A., die Kuratorin der Ausstellung, sowie Dr. Sybe Wartena vom Bayerischen Nationalmuseum. 
Zur Ausstellungseröffnung in München hielt Prof. Voigt einen Vortrag, bei dem er auf die Sonderstellung der Egerer Künstler innerhalb der europäischen Intarsienkunst einging.
Die Ausstellung ist nach 23 Jahren europaweit die erste Schau, die sich wieder den Egerer Meistern widmet. Sie läuft bis zum 4. Dezember 2022. Näheres unter www.sudetendeutsches-museum.de
 

Restaurierung für Hamburg-Museum

Im Dezember 2022 ging ein mehrjähriges Restaurierungsprojekt zu Ende, das seit 2014 durch zahlreiche Restaurierungspatenschaften (Privatpersonen und Firmen) – im Jahr 2021 auch durch die Siemens-Kulturstiftung – unterstützt wurde. 
Prof. Jochen Voigt restaurierte insgesamt 100 Daguerreotypien des Hamburg-Museums, eine für die Hansestadt wichtige Sammlung unikater Porträtaufnahmen aus der Zeit zwischen 1845 und 1860. Neben der eigentlichen Restaurierung kam es zu einem beachtlichen Informationsgewinn, denn durch die akribische Dokumentation der Fassungen, Plattenstempel, Inschriften und früheren Restaurierungen konnte eine Vielzahl von Objekten konkreten Fotografen zugeordnet, Fehlzuschreibungen korrigiert und interessante Details zur Arbeitsweise des Hamburger Museumshistorikers Wilhelm Weimar ermittelt werden, der offensichtlich einige der Stücke restauriert hatte – lange, bevor sie in Museumbesitz kamen. Die restaurierten Objekte wurden vor, während und nach Fertigstellung der Restaurierungen digitalisiert.
Zu einem der künstlerisch bedeutendsten Daguerreotypisten Hamburgs zählt der Porträtmaler Carl Ferdinand Stelzner (1805–1894), dessen großformatiges Bildnis der „Familie Abendroth“ zugleich eine der schönsten Bildnisdaguerreotypien im Bestand des Hamburg-Museums darstellt.
 

Schenkung an das GRASSI Museum Leipzig

Im Juli 2021 übergab Prof. Jochen Voigt eine Vielzahl historischer Fotografien an Dr. Olaf Thormann, Direktor des GRASSI Museums für Angewandte Kunst Leipzig, die aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammen. Neben über 100 sogenannten „Cartes des Visite“ von sächsischen und internationalen Fotografen gelangte auf diesem Weg auch ein großformatiges Selbstbildnis des Chemnitzer Fotografen Clemens Seeber ins Museum (48 x 39 cm). Seeber war ein deutscher Pionier und Entwickler der Fotografie und Filmtechnik sowie einer der ersten deutschen Reportagefotografen in der Zeit des ausgehenden 19. Jahrhundert  bzw. des beginnenden 20. Jahrhunderts.  
Als erster Chemnitzer Fotograf nutzte er 1883 elektrisches Licht für seine Aufnahmen und führte die fotografische Trockenplatte ein, die die weite Verbreitung des Mediums Fotografie begünstigte. Als Mitglied der ersten örtlichen Radfahrervereine, des I. Chemnitzer Bicycle-Clubs und später des R.-C. Stahlrad, machte sich Seeber  dieses neue Verkehrsmittel zunutze. So fertigte er Außenaufnahmen mit Hilfe eines um 1885 konstruierten „photographischen Tricycles“, eines Fahrzeugs mit Pedalantrieb und drehbarer Kamera, und wurde so zu einem der „frühesten Bildreporter Deutschlands“. Das Foto stammt aus direktem Besitz der Ateliernachfolge von Seeber und wurde bereits vor 36 Jahren durch Jochen Voigt und seine Frau May Voigt erworben. Sehr wahrscheinlich ist es der einzige Abzug auf Albuminpapier, der erhalten geblieben ist. Ursprünglich war das Bildnis in einem goldfarbenen, achteckigen Rahmen gefasst und hing viele Jahre im Seeber-Atelier in Niederwiesa bei Chemnitz. Interessant ist, dass das Porträt als direkte Vorlage für ein 1890 entstandenes Gemälde diente, welches sich heute im Film-Museum Potsdam Babelsberg befindet.

May Voigt, selbst Fotografin und 2019 früh verstorben, schuf ein beeindruckendes Werk von s/w-Fotografien, die in direkter Reaktion auf die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der DDR und die damit verbundenen Repressalien – am eigenen Leib erfahren – , aber auch die eigenen Befindlichkeiten, entstanden. Zwanzig großformatige Fotografien (50 x 60 cm), darunter das Bild „Angst-Nacht“ von 1989, wurden von Prof. Voigt als Schenkung an das GRASSI Museum übergeben.

Zum 100. Geburtstag

Im Oktober 2020, zum Abschluss der Ausstellung „Im Morgenlicht der Republik“ übergab Prof. Jochen Voigt den Kunstsammlungen Chemnitz zehn Originalgrafiken als Schenkung, die vorwiegend in den 1980er Jahren in der DDR entstanden und von den Künstlern direkt an ihn bzw. seine Frau, die Fotografin May Voigt, geschenkt worden waren. Anlass für Voigts Schenkung war wiederum der 100. Geburtstag der Kunstsammlungen Chemnitz.
Zu den zehn Blättern zählt auch die großformatige Radierung/Aquatinta „Schwarzes Licht“ von Gregor-Torsten Kozik aus Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) von 1979. Kozik war Mentor May Voigts bei der Kandidatur für den Verband Bildender Künstler. Eine Mitgliedschaft war in der DDR zwingend notwendig für ein freiberufliches Schaffen.
Weitere Grafiken der Schenkung stammen von Thomas Ranft, Thomas Merkel, Werner Wittig, Rolf Müntzner, Klaus Süß, Friedrich Press und Andreas Stelzer.
 

Fotografie-Schenkung

Im April 2020 schenkte Prof. Jochen Voigt den Kunstsammlungen Chemnitz fünfzig großformatige (50 x 60 cm) Fotografien seiner 2019 verstorbenen Frau May Voigt. Sie hatte in den 1980er Jahren die Veranstaltungen und Ausstellungen in der legendären „Galerie oben“ in Karl-Marx-Stadt fotografisch dokumentiert und so ein Bild-Gedächtnis dieser Zeit und ihrer Geschehnisse hinterlassen. May Voigt fotografierte Künstler, Schauspieler und Tänzer, von denen viele noch heute gut bekannt sind, wie Ulrich Mühe, Horst Krause oder Gerhard Altenbourg.
Daneben arbeitete sie als freikünstlerische Fotografin und schuf tiefschwarze geheimnisvolle Fotografien, die so gar nicht in das Bild der sozialistischen Auffassung von Kunst passten.  Aus letzterem Werk stammen die Blätter der Schenkung.

May Voigt war nach der politischen Wende viele Jahre als Lehrbeauftragte für Fotografie an der Fakultät Angewandte Kunst Schneeberg tätig, arbeitete aber auch als freischaffende Fotografin und Verlegerin. 2019 fand in der Galerie Angewandte Kunst Schneeberg im Schloss Lichtenwalde eine retrospektive Ausstellung statt, in der auch die 50 Fotografien zu sehen waren, die als Schenkung an die Chemnitzer Kunstsammlungen gingen. 
2021 richtete das Museum Gunzenhauser in Chemnitz die Ausstellung „#000000“ (Code für die Farbe Schwarz) aus, in der neben Arbeiten von Hermann Glöckner, Michael Morgner, Richard Serra, A. R. Penck und anderen auch einige Fotografien von May Voigt aus der Schenkung integriert waren.