Jochen Voigt
400 Seiten . 22 x 30 cm . 345 Abbildungen
Nominiert für den Deutschen Fotobuchpreis 2015
Das Buch ist im Buchhandel vergriffen. Einige private Exemplare (in originaler Verpackung) zum Preis von 35 EUR (ehemals 49,90 EUR) + Porto sind noch bei mir erhältlich. Einfach eine email senden und formlos anfragen.
„Fraglos kann Bertha Wehnert-Beckmann als überragende Vertreterin der frühen Fotografie gesehen werden, sind Arbeiten dieser Zeit und solcher Qualität nur selten überliefert. Das Schaffen der wohl ersten Berufsfotografin in Europa umfasst zumal vier Jahrzehnte der Entwicklung bildtechnischer Verfahren – von Daguerreotypien über Kalotypien, Stereoaufnahmen, großformatigen Nasskollodiumbildern bis hin zu cartes-de-visite. Neben einigen Stadtansichten und raren erotischen Aktaufnahmen sind über 4.000 Bildnisse aus ihrem Studio überliefert, ein wertvolles lokalhistorisches Archiv der damaligen gesellschaftlichen Elite.
Aus Anlass zweier Jubiläen, der 175-Jahr-Feier der Fotografie 2014 und des 200. Geburtstags Wehnert-Beckmanns im Jahr darauf, widmen sich gleich zwei Publikationen der deutschen Fotopionierin: eine materialreiche Monografie von Jochen Voigt und ein Katalogbuch zur Schau im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig. Größere Konvolute ihres Werks wurden zwar bereits in zwei Ausstellungen des Agfa-Fotohistorama in Köln präsentiert, und ein gutes Jahrzehnt später hatten sich für das von Voigt initiierte Buchprojekt Der gefrorene Augenblick (2004) vier sächsische Museen zusammengetan, um einen gemeinsamen Bestandskatalog ihrer Daguerreotypien zu etablieren. Über neunzig Aufnahmen des Ehepaars Eduard Wehnert und Bertha Wehnert-Beckmann ließen sich dadurch im Vergleich betrachten. Dem Chemnitzer Restaurator, Fotografica-Sammler, Fotohistoriker und Verleger Jochen Voigt ließ dies indessen keine Ruhe. Erneut hat er jahrelang enorme Arbeit investiert, um bislang noch ungeklärte Aspekte von Wehnert-Beckmanns Werdegang und Karriere zu erhellen. Der damals erst entdeckte, mittlerweile gänzlich digitalisierte Negativbestand auf Glasplatten im Leipziger Stadtgeschichtlichen Museum – ein Korpus aus fast 3.700 Datensätzen – kam ihm dabei sehr zupass. Und einen Glücksfall sondergleichen stellte ein spektakulärer Fund im Deutschen Museum München dar: 2012 förderte man dort auf seinen Hinweis 110 nicht hinter Glas gefasste, in einem speziellen Kasten aufbewahrte Daguerreotypien von Wehnert-Beckmann zutage – den weltweit umfangreichsten Bestand in einer öffentlichen Sammlung.
Der mit einer Fülle sorgsam komponierter Bilder bestückte Band besticht nicht nur durch seine exzellente Repro-Qualität. Über die Wiedergabe historischer Stiche von Stadtansichten wird zudem ein sehr atmosphärischer Eindruck der Zeit vermittelt. Nicht von ungefähr wurde die Publikation für den Deutschen Fotobuchpreis 2015 nominiert. Die Kapiteleinteilung ist im wesentlichen an fotografischen Verfahren orientiert, wobei es dem Autor durch seine kundige Analyse der Materialitäten nicht allein der Aufnahmen, sondern auch der Etiketten, Passepartouts und Etuis gelingt, das Schaffen Wehnert-Beckmanns differenziert und detailreich zu betrachten – und insgesamt eine Kulturgeschichte des neuen Mediums zu liefern. Über den minutiösen Vergleich von Atelierrequisiten wie Vorhangstoffen, Tischen und Stühlen vermag er bisherige Zuschreibungen und Datierungen zu korrigieren. Demnach können selbst jene Visitbilder, die rückseitig einer 1860 ausgewiesenen Wiener Filiale zugeordnet sind, nur im Leipziger Atelier entstanden sein. Neben einer Präzisierung von Wehnert-Beckmanns fachlichen Beziehungen (zu Anton Martin, Peter Wilhelm Friedrich Voigtländer oder den Gebrüdern Langenheim) und der Identifizierung zahlreicher bekannter Porträtierter gelang Voigt auch eine genauere Rekonstruktion ihres zweijährigen Aufenthalts in New York, wo sie sich 1849–1851 als einzige Frau mit Atelier am Broadway ausschließlich der Herstellung von Kalotypien widmete – eine Novität in den USA. Renommierte Kollegen titulierten sie mit Hochachtung als »German Lady«. ...“
(Dr. Ulrike Matzer, in: Fotogeschichte, Heft 137, 2015)
„... ein biografisches Wunderwerk....“
(Andreas Platthaus, FAZ vom 24.1.2015)
„Das Buch ist ... ausgezeichnet recherchiert und verweist auf eine Fülle wichtiger Quellen, welche in vielen Bereichen ein späteres Nachforschen ermöglichen. Es ist in einer leicht verständlichen Sprache verfasst und in einer Qualität gedruckt, welche die vielen Unikate originalgetreu wiedergibt. Es ist ein Buch, das man unbedingt haben sollte, wenn man sich mit den Anfängen der Fotografie befasst und das auch später einmal diese Bedeutung behalten dürfte.“
(Urs Tilmanns, fotointern.ch vom 12.4.2014)
„Der Name Bertha Wehnert-Beckmann ist heute nur Spezialisten ein Begriff. Diese in mehrfacher Hinsicht bemerkenswerte Frau wieder stärker ins allgemeine Bewusstsein zu rücken, ist Anliegen des opulenten Buches von Jochen Voigt, Professor an der Abteilung Angewandte Kunst Schneeberg der Westsächsischen Hochschule Zwickau.
„In Cottbus geboren, habe ich sofort nach Erfindung der Daguerreotypie meine Bemühungen dahin gerichtet, durch Erlernen dieser Kunst mir meine Zukunft zu sichern und für mich einen Erwerbszweig zu gewinnen.“ Es muss eine besondere Persönlichkeit sein, die im November 1844 derartiges in einem Brief an die Leipziger Stadtverwaltung formuliert, um hier eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Dass es eine Frau ist, macht die Angelegenheit für diese Zeit besonders interessant.
Im Herbst 1839 war die Erfindung L.J.M. Daguerres, mittels einer Camera obscura realistische Bilder festzuhalten, bekannt geworden. Die 1815 geborene Bertha Beckmann eröffnete im Dezember 1842, nur drei Jahre später, in Dresden ihr erstes Atelier. Vorausgegangen waren eine Lehre bei Wilhelm Horn in Prag und möglicherweise eigenständige Versuche in dem komplizierten und unzureichend dokumentierten Verfahren noch in Cottbus. Von Dresden aus ging sie wie andere Pioniere der Daguerreotypie auf sogenannte Kunstreisen. In Altenburg lernte sie dabei Eduard Wehnert kennen, der in gleicher Angelegenheit unterwegs war. 1843 eröffneten sie ihr gemeinsames Leipziger Atelier mit Adresse Burgstraße 8. Im November des Jahres heirateten sie.
Jochen Voigts Buch ist eine multiple Historiographie. Neben der Biografie Bertha Wehnert-Beckmanns behandelt er die Technikgeschichte des jungen Mediums Fotografie, dessen Kunstgeschichte, sehr viel Leipziger (und ein bisschen New Yorker) Lokalgeschichte, und nicht zuletzt auch einen Abschnitt der weiblichen Emanzipation.
In technischer Hinsicht benutzte das junge Paar neben der Daguerreotypie – die sehr scharfe, aber kaum zu vervielfältigende Bilder auf versilberte Kupferplatten lieferte – auch die von Talbot erfundene Kalotypie, deren weniger brillante Papiernegative mehrfach umkopiert werden konnten. Mitte der 1850er Jahre folgte das Kollodiumverfahren auf Glasplatten. Da war Eduard Wehnert schon tot. Er starb bereits 1847, vermutlich an den Folgen des dauernden Umgangs mit hochgiftigen Chemikalien. Die von ihm aus dem Hinterhof der Burgstraße um 1846/47 aufgenommene Ansicht der Rückseite des heutigen Bachmuseums mit dem Turm der Thomaskirche ist vermutlich die älteste erhaltene Stadtfotografie von Leipzig.
Die Behauptung, Bertha Wehnert-Beckmann sei die erste professionelle Fotografin Europas gewesen, untersucht Voigt akribisch. Zwar gab es andere Frauen, die sich mit der Materie noch etwas eher beschäftigten, darunter Talbots Frau Constance, doch Betreiberinnen eines eigenen Ateliers gab es offenbar nur in den USA wenige Monate früher. Auch nach der Heirat agierte Bertha eigenständig. Nach dem Tod Wehnerts holte sie zwei ihrer Brüder in das aufstrebende Unternehmen. 1849 brach sie nach Amerika auf, eröffnete am Broadway ein ebenfalls florierendes Geschäft, zu deren Kunden Prominente wie der Südstaatenheld Sam Houston gehörten.
Als sie zwei Jahre später nach Leipzig zurückkehrte, schaffte es der nachgereiste Bruder Rudolph nicht lange, die Filiale am Leben zu erhalten. Das wirft ein Licht auf die Stärke dieser Frau. Sie war keine Feministin im politischen Sinne, ging aber mit überzeugendem Selbstbewusstsein davon aus, dass erfolgreiches Wirtschaften kein Privileg von Männern sei. Dabei verstand sie sich aber immer auch als Künstlerin. Trotz der in der Frühzeit aus minutenlangen Belichtungszeiten resultierenden Probleme schuf sie einen eigenen Stil des Porträtierens. Ihr Atelier in der Burgstraße, später in einer geräumigen Villa an der Elsterstraße – noch heute existent – wurde zu einem gesellschaftlichen Treffpunkt Leipzigs.
Jochen Voigt kann dank umfassender Recherchen, zu denen ein Überraschungsfund in München gehörte, viele bisher unveröffentlichte Aufnahmen präsentieren. Dazu gehört ein Porträt des Gartengestalters Lenné, der die Schilleranlagen schuf. Architekturaufnahmen sind ebenso selten wie andere Sujets. Ein erotisches Stereobild gehört zu den Ausnahmen. Bertha Wehnert-Beckmanns Stärke war das Porträt. Dabei konnte sie unbekannten Kindern so viel Hingabe widmen wie amerikanischen Politikern. Doch auch Nachweise von Montagen, um nicht zu sagen Fälschungen, die schon um 1850 entstanden, sind von historischem Interesse.
Die großformatige Publikation mit 343 Abbildungen ist kein leicht zu konsumierendes Sachbuch, sondern eine wissenschaftliche Arbeit mit der daraus resultierenden Weitläufigkeit auch in Details und Nebenlinien. Der bisher kaum bekannten Bedeutung Bertha Wehnert-Beckmanns ist dies angemessen. Zu würdigen ist außerdem der enorme Aufwand, den May Voigt betrieben hat, die problematischen Vorlagen zu reproduzieren. Spiegelnde und partiell verfärbte Daguerreotypien in druckbare Qualität zu bringen ist ebenso kompliziert wie die Wiedergabe von Negativen aus gewachstem Papier.
Die Mühe hat sich gelohnt. „A German Lady“ ist das umfassende Lebensbild einer Leipzigerin, deren Wiederentdeckung ein wichtiger Baustein des lokalen Selbstverständnisses ist.“
(Dr. Jens Kassner in der LVZ vom 24. April 2014)
Haupttitel des Buches.
Bertha Wehnert-Beckmann: Porträt einer jungen Frau mit Fächer vor einem Spiegel, Salzpapierabzug von einem in den 1860er Jahren entstandenen Kollodiumnegativ. Kupferstichkabinett, Staatliche Kunstsammlungen Dresden.
Seite 10 der Publikation.
Seite 28 der Publikation mit einem Doppelporträt Bertha Wehnert-Beckmann und Eduard Wehnert.
Frontispiz der Publikation mit einem Bildnis Bertha Wehnert-Beckmanns, Daguerreotypie (Ausschnitt), vemutl. Samuel Root, New York um 1851, GRASSI Museum für Angewandte Kunst, Leipzig.
Seite 266 der Publikation mit einem Kalotypienegativ, darstellend Bertha Wehnert-Beckmann mit Objektiven, New York um 1850/51, Kupferstichkabinett, Staatliche Kunstsammlungen Dresden.
Seite 267 der Publikation mit einem mittels Photoshop erstellten Positiv.
Alle Fotos aus dem oben besprochenen Band.