Entwicklung eines neuen gestalterischen Konzeptes für das Museum im Kulturkaufhaus Tietz
Auftraggeber: Museum für Naturkunde - Stadt Chemnitz
In enger Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlern des Museums entstand im Atelier von Jochen Voigt eine völlig neue Dauerausstellung in virtueller Form – aber sehr konkret und in enger Anbindung an die örtliche Situation. Sämtliche Ideen wurden als 3D-Animation im Computer umgesetzt. (Animationen Paul Giesemann). Hier gibt es ein paar Einblicke in die vielen Entwürfe.
Zukünftig soll das Atrium des TIETZ eine großzügige, ganz neue Präsentation bieten, die den Besucher des Museums nicht nur neugierig macht, sondern für alle das TIETZ frequentierende Menschen einen fulminanten Eyecatcher darstellt.
Fünf riesige Schränke in der Farbe des Museums – eingebaut zwischen den Pfeilern – bilden mit ihren spektakulären Inhalten den Auftakt des Museums und sind zugleich Kristallisationspunkt für eine ganz neuartige, spannende Sonderführung für Kinder und Erwachsene, welche sich um unglaubliche Geschichten dreht, mit denen die gesellschaftliche Relevanz naturkundlicher Museen verdeutlicht wird.
Die Museumsetage wird zukünftig zum Atrium verschlossen sein, um schädliches Licht, Geräusche und Staub fernzuhalten. Stattdessen wird es einen umlaufenden leuchtenden Silhouettenfries geben, der auf 39 Einzeltableaus die gegenwärtige und vergangene Tierwelt unseres Planeten symbolisiert: vom Insekt bis zum Saurier.
Im Farb- und Formenkontrast zu den schwer und statisch anmutenden Stämmen des Versteinerten Waldes entwickelte Jochen Voigt die Idee für ein „Blätterdach“ aus Blättern verschiedener Bäume der Welt. 1000 aus gelbem und grünem (durchsichtigem) Acrylglas ausgelaserte Blätter schweben an Perlonfäden über der ca. 40 qm großen Freifläche vor dem Ensemble des Versteinerten Waldes etwa in Höhe zwischen Museums- und Bibliotheksetage. Durch die Thermik im Atrium sind sie ständig leicht in Bewegung, d. h. drehen sich um die eigene Achse. Durch die Verwendung von fluoreszierendem Acryl leuchten die Blätter.
Mit ihren abstrahierten Silhouetten korrespondieren die Blätter mit den umlaufend im Atrium angeordneten Silhouetten, welche die Tierwelt unseres Planeten symbolisieren. Flora und Fauna sind als große Installation miteinander vereint.
Welches sind die wichtigsten Neuerungen in der neu zu errichtenden Dauerausstellung im ersten Obergeschoss?
... weg vom jetzigen Charme einer Bahnhofshalle hin zu einer Raumstruktur mit System, wodurch erstmals Abgrenzungen von Themenbereichen möglich werden. Es erfolgt eine Verdunklung der neuen Raumstruktur zur Schaffung von Lichtstimmungen, zur effektvollen Ausleuchtung der Objekte und zur Gewährleistung einer farbtiefen Wiedergabe von Animationen auf Screens.
Klanginstallationen in HiFi-Qualität im gesamten Museum, welche die präsentierten Themen untersetzen. Verzicht auf textreiche Erklärungstafeln – stattdessen entstehen kleine Animationsfilme. Komplizierte Sachverhalte werden mit Augenzwinkern leicht verständlich erklärt. Kleine Touchscreens an den Vitrinen spenden bei Bedarf weitergehendes Wissen.
Zahlreiche Schubladen mit abwechslungsreichen Inhalten laden zum selbständigen „Stöbern“ ein. Kinder erhalten durch Schaffung von Guckkästen eine eigene „Ebene“, die sich durch die gesamte Museumsetage zieht.
Ein eigenes Foyer lädt zum Spielen sowie zum Lesen, Ausruhen und Nachsinnen ein. Hier können sich Gäste entspannt zurücklehnen. Hierzu wird der bisher nur als Übergang genutzte Teil des Museumsgeschosses (Richtung Reitbahnstraße) ausgebaut. Im Bereich der Fensterfront entsteht die Anmutung eines Tropenhauses mit echten Pflanzen, die entwicklungsgeschichtliche Linien zum Versteinerten Wald aufweisen.
Im Historischen Kabinett des Museums für Naturkunde Chemnitz kann der Besucher einen Einblick in die spannende Vor- und Gründungsgeschichte des Hauses erhalten. Hier wird an die geistigen Wurzeln der heutigen Einrichtung erinnert.
Kernstück des 100 qm großen Raumes ist nach einer Idee von Jochen Voigt der riesige Sammlungsschrank von über elf Metern Länge, in dem sich fast 100 Beispiele historischen Sammelns und Präparierens finden lassen. In ebenso vielen Schrankfächern sind sie mittels Glasfaserlicht effektvoll in Szene gesetzt. Acht große Türen aus entspiegeltem Glas schützen die Objekte vor Verschmutzung und Berührung.
Mittels eines Touchscreens können spannende Informationen zu den einzelnen Objekten aufgerufen werden. In der Mitte des Schrankes befindet sich eine Reihe von verschlossenen Fächern für die Abteilung Museumspädagogik. Den kleineren Besuchern ist auch die Reihe von Guckkästen gewidmet, die sich im Sockelbereich des Schrankes befinden. Durch acht „Spione“ können Kids spektakuläre Objekte sehen, die den Erwachsenen infolge der niedrigen Benutzungshöhe eher verborgen bleiben.
In der Mitte des Raumes befindet sich eine Multifunktionssäule, die auf einer ihrer vier Seiten einen Screen trägt. In Form eines Silhouettenvideos wird auf unterhaltsame, humorvolle Weise die Gründung des Museums erklärt. Auf der zweiten Seite der Säule werden zahlreiche Bernsteininklusen präsentiert, die mittels Glasfaserlicht durchleuchtet werden. Dadurch treten eingeschlossene Pflanzenteile und Insekten besonders schön hervor. Die dritte Seite der Säule ist historischen, hinterleuchteten Dünnschliffpräparaten vorbehalten.
Aus der Lust am Sammeln – vor allem skurriler oder seltener Objekte – entstanden die Naturalienkabinette des 18. Jahrhunderts, die Vorläufer heutiger Naturkundemuseen. An dieses frühe Interesse am Zusammentragen und Katalogisieren von Belegstücken der Natur erinnert ein originaler Sammlungsschrank aus dem 18. Jahrhundert, der mit kostbaren Korallen und Schnecken gefüllt ist.
„Die Entwicklung des Lebens hat bizarre Formen, Farben und Verhaltensweisen hervorgebracht. Vergleiche der fossilen mit der lebenden Welt sind für wissenschaftliche Studien entscheidend. Die Verankerung von lebenden Urtieren im Museum für Naturkunde eröffnet eine authentische Vermittlung und ist wegweisend für evolutionsbiologische Forschungsfragen.“ (Dr. Thorid Zierold)
Eine 8 Meter lange, komplett in LED-Technik ausgeleuchtete „Wand der Gliederfüßer“ gibt einen Einblick in die Vielfalt der größten Tiergruppe der Welt.
Fossile Belege der Insekten, Spinnen und Krebstiere werden in speziell konzipierten Vitrinen über Entwicklungsschritte, spezielle Anpassungen und Lebensstrategien zeugen. Das Museum für Naturkunde Chemnitz besitzt einige herausragende, aufregend schöne Versteinerungen, die ihrer Kostbarkeit angemessen präsentiert werden sollen.
Im Zentrum des Raumes lädt die auf 3 x 5 Meter vergrößerte Schmetterlingsvitrine zum Entdecken ein, die mit modernisierter technischer Ausstattung (neue Beleuchtung und Klimatisierung) den „fliegenden Edelsteinen“ künftig einen wesentlich verbesserten Lebensraum bieten wird. Auch die Vergrößerung der bisherigen Terrarien zielt nicht nur in Richtung einer zeitgemäßen Präsentation, sondern will auch die Lebensbedingungen der gehaltenen Tiere optimieren.
Die bisherige, viel zu helle Gesamtbeleuchtung des Raumes wird aufgegeben. Den Besucher wird künftig ein weitgehend abgedunkelter Raum mit beleuchteten Terrarien und effektvoll angestrahlten Einzelobjekten erwarten, wie man es aus den großen Aquarien kennt. Damit fügt er sich nicht nur perfekt in die neue Gesamtpräsentation des Museums ein, sondern bildet einen großartigen Auftakt.
Wie entwickelten sich unsere Wälder? Wie wirkt sich die Klimaveränderung auf sie und damit auch unsere Zukunft aus? Die Grabungen des Museums für Naturkunde und deren wissenschaftliche Bearbeitung liefern klare Bilder zu einem Wald vor 291 Millionen Jahren und eröffnen Wege für zukünftige Prognosen.
In maßgeschneiderten Vitrinen werden unter anderem das international anerkannte „Fossil des Jahres 2010“ – ein 9 m langer Schachtelhalmbaum – und die bei den Ausgrabungen in Chemnitz-Hilbersdorf geborgene, 3 x 3 m große Krone eines farnlaubigen Baumes in Szene gesetzt.
Die immense internationale Bedeutung des Schachtelhalmbaumes – das einzige Objekt seiner Art weltweit – rechtfertigt den Aufwand, der mit dem Errichten der notwendigen, 15 Meter langen Frontscheibe aus entspiegeltem Sicherheitsglas verbunden ist.
Wie auf einer abgeholzten Waldlichtung will Jochen Voigt versteinerte Baumscheiben in Szene setzen, deren geschliffene und polierte Oberflächen jedes Detail der pflanzlichen Struktur erkennen lassen.
Der Ausstellungsbereich „Fossilwerdung“ lässt den Besucher eintauchen in die komplexen Vorgänge, die sich in geologischen Zeiträumen vollzogen und letztendlich zu den aussagekräftigen Fundstücken führten, die uns heute von früherem Leben auf der Erde erzählen.
Die für menschliche Vorstellungen kaum fassbaren Zeiträume sollen nach Voigts Vorstellung durch Wolkenformationen symbolisiert werden, die auf einer zehn Meter langen Screenwall ziehen. Hier kann der Besucher innehalten und auf Sitzobjekten Platz nehmen. Während tierische und pflanzliche Organismen einem Wandel unterlagen, zogen Wolken schon vor Millionen von Jahren wie heute über den Himmel. Sie bilden die gedankliche Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart.
Die riesigen Fossilienschränke erinnern an die Schränke im Atrium, denn sie sind zum Hindurchschauen konzipiert. Die zahlreichen Fossilien werden dadurch von den im Hintergrund ziehenden Wolken untermalt. Der interessierte Besucher kann selbst „stöbern“, denn acht große Rollkästen in den Fossilienschränken dürfen aufgezogen und erforscht werden. Für Kinder sind weitere acht Kästen im bodennahen Bereich vorgesehen, in denen die Fossilisation kindgerecht aufbereitet wird.
Nach einer Idee Jochen Voigts steht der Dialog zwischen Natur und Kunst in diesem Raum im Mittelpunkt des Geschehens. Auf welche Art spiegeln sich dramatischen Ereignisse wie Vulkanausbrüche in der bildenden Kunst wider?
Erneut soll der Besucher auf einen riesenhaften Sammlungsschrank treffen, eine Metapher für sich ansammelndes menschliches Wissen. Diesmal sind zahlreiche hinterleuchtete Großdias (bis zu 1,20 m Breite) in die Schranktüren eingesetzt, welche Gemälde des 17. bis 20. Jahrhunderts wiedergeben. Die Motive namhafter Meister sind eng mit dem Vulkanismus verbunden, sowohl aus mythologischer als auch aus naturwissenschaftlich beobachtender Sicht.
Parallel zu den künstlerischen Darstellungen werden vulkanische Auswurfmaterialien wie Schwefelminerale, vulkanische Bomben, Asche, Lapilli, Basaltsäulen und Stricklava präsentiert.
Weitere Entwürfe des Ateliers Voigt befassten sich mit einem Ausstellungsbereich für versteinerte Pinienzapfen; mit einem Libellengang, von dem aus mit Fernrohren hinunter auf den versteinerten Wald geschaut werden kann; mit einem Entdeckerlabor für Kinder; mit einem Foyer im Obergeschoss und mit dem Garderobebereich.
Abbildungen (von oben nach unten)
Im Atrium des Kulturkaufhauses TIETZ soll eine Installation aus 1000 stilisierten Blättern von der Decke hängen. Die Blätter laden sich durch die Sonneneinstrahlung des Glasdaches energetisch auf und leuchten im Dunkeln von selbst.
Rechnergenerierter Raumplan des Obergeschosses.
Blicke in das neu geplante „Historische Kabinett“ des Museums für Naturkunde.
Historischer Sammlungsschrank für das „Historische Kabinett“.
Neugestaltung des ehemaligen Insektariums mit wesentlich vergrößertem Schmetterlingshaus und großer Leuchtwand.
Im Ausstellungsbereich „Das Modell Baum“ soll eine Installation an eine Waldlichtung mit Baumstümpfen erinnern, wobei es sich um große Stammscheiben versteinerter Bäume handelt.
Im Bereich „Fossilwerdung“ ziehen Wolken auf einer monumentalen Screenwall entlang und erinnern an die Unendlichkeit.
Im Ausstellungsbereich „Vulkanismus“ soll ein riesiger Schrank mit leuchtenden Bildern an die Beschäftigung von Künstlern mit den Naturgewalten erinnern.
Für die Sammlung versteinerter Pinienzapfen wurde eine eigene Installation entwickelt.