Die Villa „Esche“ ist ein bedeutender Villenbau in Chemnitz, der durch den belgischen Architekten Henry van de Velde für den Chemnitzer Textilfabrikanten Eugen Herbert Esche entworfen wurde. Die Villa „Esche“ ist der erste realisierte Architekturentwurf van de Veldes in Deutschland.
In der Villa „Esche“ befindet sich eine Ausstellung (eingerichtet und betreut durch die Kunstsammlungen Chemnitz), in der Einblick gegeben wird in die Wohnverhältnisse der Familie Esche. Die Villa war im besten Sinne des Jugendstils ein „Gesamtkunstwerk“, denn nicht nur das Gebäude sondern auch die gesamte Inneneinrichtung entstand nach Entwürfen van de Veldes.
Jochen Voigt wurde durch die Stadt Chemnitz beauftragt, 21 Originalmöbel van de Veldes aus dem Bestand der Kunstsammlungen für die Ausstellung zu restaurieren. Dazu waren umfangreiche Recherchen und Untersuchungen zu realisieren.
Entwurf Henry van de Velde, 1897
Die von van de Velde entworfene Frisierkommode hat ein fast identisches Zweitstück, allerdings mit Marmorplatte, im Münchner Stadtmuseum. Bereits Georg Himmelheber hat dieses Stück in seinem Standardwerk „Die Kunst des deutschen Möbels“ (Band 3, Auflage 1983, Abb. 1022) publiziert. Es stammt aus der Phase, in der sich die typischen ornamentalen Linien an van de Veldes Möbeln so sehr zu verselbständigen beginnen, „daß die Linien die Form des Möbels zu beherrschen, zu bestimmen scheinen.“ Van de Velde produzierte das Modell in seinen eigenen Werkstätten in Brüssel und Berlin. Auf der Rückseite des Chemnitzer Möbels befindet sich deshalb mehrmals der charakteristische Brandstempel van de Veldes. Bestimmt war die Frisierkommode zunächst für die erste Wohnung des Auftraggebers, der sie dann aber mit in die Villa nahm.
Das Münchner und das Chemnitzer Exemplar unterscheiden sich auch in der Form ihrer Beschläge, die jeweils nach Entwürfen van de Veldes hergestellt wurden. Der fand offenbar beide passend. Dies scheint öfters vorgekommen zu sein, denn es sind weitere Möbelmodelle bekannt, bei denen jeweilige Exemplare unterschiedliche Beschläge tragen.
Im Zuge der Restaurierung sollte auf naturwissenschaftlichem Weg das Furnier des Möbels bestimmt werden. Es stellte sich heraus, dass die bisherige Deklarierung als Nussbaumholz zutreffend war. Das beauftragte Institut für Holztechnologie Dresden konnte auf mikroskopischem Weg eindeutig europäischen Nussbaum (Juglans regia L.) bestimmen.
Im Wesentlichen war das Möbel von Schmutz und Bohnerwachsrückständen zu reinigen, die zahlreichen Wasserflecke zu entfernen, Furnierfehlstellen zu schließen, die Oberflächenpolitur sanft zu regenerieren und ein Beschlag nachzugießen.
Entwurf Henry van de Velde 1897/98
Der Chemnitzer Notenschrank entstand wie die Frisierkommode in der Frühphase van des Veldes und war für die erste Wohnung Esches bestimmt. Nach dem Umzug in die neue erbaute Villa fand er Aufstellung im Wohnzimmer. Er trägt ebenfalls auf der Rückseite einen Brandstempel. Es sind mehrere Exemplare dieses Möbels bekannt, von denen sich das Chemnitzer Stück jedoch durch seinen besonderen Rotlack unterscheidet. Erst durch die Restaurierung wurde der Lack Gegenstand einer wissenschaftlichen Betrachtung, denn über Jahrzehnte hatte man ihn nicht wahrgenommen bzw. für nicht relevant erachtet. Dies lag zum einen daran, dass er nur im Inneren noch vollflächig erhalten, hingegen an den Außenseiten durch Lichteinwirkung weitgehend verblasst ist. Zum anderen hatte sich speziell die Möbelforschung nie mit diesem Möbelstück befasst.
Das um Hilfe gebetene Rathgen-Forschungslabor in Berlin konnte zweifelsfrei eine Schellackpolitur ermitteln, welcher ein violettroter, transparenter und alkohollöslicher Farbstoff auf organischer Basis beigemischt war. Während der Lack im Inneren des Möbels und auf der nach vorn herausziehbaren Platte, aber auch unter den Beschlägen, seine ursprüngliche tiefe Farbigkeit behalten hat, ist er außen lediglich in Form von Schlieren und Wischern erkennbar. Nur auf wenigen Teilen, z.B. dem Rahmen der unteren rechten Tür, ist er etwas deutlicher wahrzunehmen. Dieses ist aus der Oberflächentechnik erklärbar: Da die Schellackpolitur in kreisenden und ziehenden Bewegungen mit einem Ballen aufgetragen wird, wobei durchaus unterschiedlich starke Aufträge entstehen, hat sich die Farbigkeit dort intensiver erhalten, wo etwas mehr Politur aufgeschichtet wurde. An diesen Stellen konnte das Sonnenlicht den Farbstoff nicht endgültig auslöschen.
Die violettrote Politur, die dennoch die Maserung des Holzes sichtbar lässt, muss ganz entscheidend zur ursprünglichen Ausstrahlung des Möbels beigetragen haben. Sie erklärt sich vor dem Hintergrund eines im Jugendstil aufkommenden Japonismus, bei dem transparentfarbige Lacke aus Fernost in das Blickfeld der Möbelgestalter rückten.
Im Rahmen von Voigts Arbeiten wurde eine digitale Rekonstruktion der ehemaligen Farbigkeit vorgenommen und somit das originale Erscheinungsbild virtuell wiedererlangt.
Um das im Verlauf der Zeit mehrfach unterschiedlich benannte Holz des Notenschrankes endgültig zu bestimmen, wurde das Institut für Holztechnologie in Dresden auch in diesem Fall um seine Expertise gebeten. Auf mikroskopischem Weg konnte eindeutig afrikanisches Padouk-Holz ermittelt werden, sowohl für die Massivholzteile als auch für das Furnier. Dies erwies sich wichtig für die Ergänzungen, die am Schrank vorgenommen werden mussten.
Das Einbringen dieser Ergänzungen erwies sich kompliziert, weil frisch geschnittenes Padoukholz im Verlauf der Jahre seinen tiefroten Farbton verliert und weil die ergänzten Teile mit einer Politur überzogen werden mussten, ohne dabei die Originalpolitur des Schrankes in Mitleidenschaft zu ziehen.
Entwurf Henry van de Velde 1897
Die acht Stühle, von denen heute sechs im Speisezimmer der Villa „Esche“ aufgestellt sind, gehören zum Frühwerk van de Veldes und waren schon in der ersten Wohnung Esches aufgestellt.
Durch mikroskopische Untersuchungen konnte zweifelsfrei belegt werden, dass die Stühle aus massivem Cuba-Mahagoni bestehen. Nur für die Zargen wurde Rotbuche verwendet, das auf den sichtbaren Seiten mit Mahagoni-Furnier belegt ist. Zwei zum Set gehörige Armlehnstühle, ebenfalls in der Villa „Esche“ ausgestellt, galten bisher aus Nussbaum gefertigt, was natürlich Fragen aufwarf. Auch hier konnte die mikroskopische Untersuchung Aufschluss geben. Sie bestehen ebenfalls aus Cuba-Mahagoni, was angesichts der Zugehörigkeit zu den übrigen Stühlen eigentlich nicht verwundert. Allerdings sind sie durch lange Einwirkung von Sonnenlicht derart ausgeblichen, dass man (auch unter Berücksichtigung einer sehr ähnlichen Maserung und Porenstruktur) von Nussbaum ausging. Dieses Missverständnis konnte nun ausgeräumt werden.
Alle Flachpolster und die Stoffbezüge stammten aus neuerer Zeit. Wie sich nach Abnahme dieser Polster zeigte waren die meisten Traversen der Sitzrahmen, die der unmittelbaren Befestigung der Polster dienen, durch das öftere Einschlagen von Nägeln abgesplittert, aufgespalten oder bereits (schlecht) ergänzt. Offenbar hatten mehrmals Neupolsterungen stattgefunden. Hier mussten erhebliche Stabilisierungsmaßnahmen stattfinden, um die Traversen für ein erneutes Einschlagen von Nägeln zu stabilisieren. Einige von ihnen mussten ausgewechselt werden, wozu massives Mahagoniholz verwendet wurde.
Trotz Auswertung historischer Fotos ließen sich keine sicheren Angaben zur Art des ursprünglichen Bezugs gewinnen. Allerdings konnten an den beiden Armlehnstühlen Reste gefunden werden, die auf einen Bezug mit sandgelbem Leder hindeuteten. Nach intensiven Beratungen mit den Mitarbeitern der Kunstsammlungen und des Kunstbeirates wurde entschieden, eine Wiederherstellung in genau dieser Weise anzustreben. Dies geschah auch unter dem Gesichtspunkt, dass die Möbel öffentlich präsentiert werde sollten.
Zunächst wurde von uns unter den konfektionierten Angeboten von Lederherstellern gesucht, was jedoch zu keinem Erfolg führte. Lederfarben und -texturen sind sehr stark von Modetrends beeinflusst. Außerdem sind alle diese konfektionierten Leder mit Imprägnierungen versehen, da die Oberflächen wasser- und schmutzabweisend sein sollen. Eine solche Imprägnierung, die sich auch auf die Optik auswirkt, wiesen die zu Beginn des 20. Jahrhunderts verwendeten Leder noch nicht auf. Alle in Handel gefundenen Leder waren außerdem zu steif, zu dick, zu glänzend und zu glatt. Da die modernen Ledermaterialien durch die an ihnen eingesetzten Färbe- und Konservierungsmethoden auch keine längerfristige Haltbarkeit versprechen, wurde letztendlich für die Herstellung eines speziellen Leders nach traditionellem Verfahren plädiert. Das Atelier Voigt fand in der „Nossener Sämischleder H. A. Müller GmbH“ einen aufgeschlossenen und kompetenten Partner, der sich mit großer handwerklicher Erfahrung in das Problem einbrachte. Die Lösung bestand in sämisch gegerbtem Rehleder, das außerordentlich dünn und geschmeidig ausfällt. Um dem vermuteten ursprünglichen Farbton nahe zu kommen, wurden verschiedene Farbbäder angesetzt und nach langen Versuchen ein sehr zufriedenstellendes Ergebnis erzielt. Eine Dresdner Polsterei, die auf historische Polsterungen spezialisiert war, übernahm das Leder und brachte es auf die Stühle auf, die inzwischen stabilisiert, gereinigt und von Farb- und Kleberesten befreit worden waren.
In den Kunstsammlungen Chemnitz befinden sich alle Dokumentationen zu den 21 restaurierten Möbeln archiviert, darunter zahlreiche Farbfotografien, aber auch die Untersuchungsergebnisse des Instituts für Holztechnologie Dresden.
Aus Jochen Voigts Sicht wäre es angebracht, in einer in absehbarer Zukunft neu zu gestaltenden Dauerausstellung in der Villa „Esche“ in Chemnitz mittels moderner Technik (Touch Screens etc.) die vielen gewonnenen Erkenntnisse für Besucher bildhaft zu machen. Dazu zählen die an verborgenen Stellen angebrachten Brandstempel ebenso wie die verloren gegangene prachtvolle Färbung des Notenschrankens. Nach über zwanzig Jahren wäre das sicherlich eine Überlegung wert.
Frisierkommode van de Veldes, mit Nussbaum furniert, nach Abschluss der Restaurierungsarbeiten.
Brandstempel der Frisierkommode.
Notenschrank Henry van de Veldes, mit Padouk furniert bzw. aus massivem Padouk, nach Abschluss der Restaurierungsarbeiten.
Brandstempel am Notenschrank.
Unter dem abgelösten Beschlag hat sich ein Rest der violettroten Politur erhalten.
Am Rechner erstellte Simulation der ehemaligen Farbigkeit des Notenschrankes.
Stuhl van de Veldes aus einem Satz von sechs Stühlen. Aufnahme nach Abschluss der Restaurierung.
Brandstempel eines Stuhles.
Armlehnstuhl van de Veldes, zugehörig zum Stuhlsatz. Das verblichene Mahagoniholz wirkt wie Nussbaum. Aufnahme nach Abschluss der Restaurierung.