An diesem Kabinett beeindrucken die aus Halbedelsteinen bestehenden buntfarbigen Intarsien, die im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts in den Steinschneidewerkstätten des Prager Kaiserhofes entstanden. 1592 hatte Kaiser Rudolf II. den Florentiner Steinschneider Cosimo Castrucci engagiert, der in Prag die reichen Vorkommen böhmischer Schmucksteine für Bildtafeln künstlerisch nutzen sollte. Später arbeitete sein Sohn Giovanni Castrucci mit. Wiederum dessen Sohn Cosimo und auch der Schwiegersohn Giuliano di Piero Pandolfini führten die Werkstatt im 17. Jahrhundert fort. Der Kaiser, der geradezu vernarrt war in die „wundersamen Kräfte der Steine“, bot „seinen“ Steinkünstlern beste Arbeitsbedingungen.
Das Kabinett entstand erst im 18. Jahrhundert und wurde mit den Castrucci-Tafeln versehen, die aus einem anderen Zusammenhang stammen. Um die Intarsien für den neuen Entwurf benutzen zu können, wurden sie durchtrennt bzw. gekürzt. Wer das Kabinettschränkchen gefertigt hat, ist nicht bekannt.
1945 wurde das Kabinett wie zahllose weitere Kunstwerke der Dresdner Sammlungen als Kriegsbeute in die Sowjetunion verbracht. In den fünfziger Jahren kehrte es zurück, wurde aber aufgrund seines schlechten Zustandes nicht mehr gezeigt. Schon 1919 hatte ein dreister Diebstahl das Kabinett der zweiten Elfenbeinfigur beraubt, die einst in der rechten Nische gestanden hat. Später ging eine der Büsten auf dem Gesims verloren, aber auch Alterungs- und Gebrauchsschäden hatten das Stück entstellt.
Im Zuge der schrittweisen Wiedereinrichtung des Grünen Gewölbes im Dresdner Schloss kam es auch zur Restaurierung dieses Stücks, bei der nicht nur zahlreiche Schäden an der Holzsubstanz behoben, sondern auch die in viele Teile zersprungenen Bergkristallsäulen neu verklebt und das gelockerte Gefüge der Pietra-Dura-Tafeln gefestigt wurden. Durch das notwendig gewordene Ablösen gelang ein Blick hinter die Steinintarsien. Es wurde deutlich, dass die Prager Hofsteinscheider alle zugesägten Steinschollen aus Jaspisen und Achaten auf eine Schieferplatte als Träger aufgekittet hatten, wozu sie einen Kitt aus Mastix nutzten. Mastix ist das Harz der Mastixpistazie, die in den Mittelmeerländern beheimatet ist. Um eine bessere Befestigung auf der Schieferplatte zu erreichen, hatte man diese vorher mehrmals durchbohrt, so dass sich der Kitt dort gut verankern konnte. Jener besondere Kniff war zuvor bereits bei der Restaurierung einer Bildtafel der Castrucci-Werkstatt in Wien festgestellt worden, sodass der erneute Fund nun die Vermutung erhärtet, dies könnte eine besondere Eigenart der Castruccis gewesen sein.
Die Furnierung des Korpus besteht aus zwei verschiedenen Holzarten, Palisander und gefärbtes Olivenholz. Letzteres konnte erst durch eine mikroskopische Untersuchung im Institut für Holztechnologie in Dresden ermittelt werden. Die Nachfertigung des künstlich gefärbten Furniers, das für die Schließung der vielen Fehlstellen gebraucht wurde, gelang erst nach verschiedenen Versuchen: Olivenholz-Sägefurnier wurde mittels Papierzwischenlage auf eine Trägerplatte geklebt, dann auf die Dicke des originalen Furniers geschliffen und spiegelglatt geputzt. Um den vorgefundenen unterschiedlichen Furnierstärken Rechnung zu tragen, mussten unterschiedlich dicke Furniere nach diesem Verfahren hergestellt werden. Nach dem mehrfachen Wässern und Schleifen wurden die Furniere vom Trägerholz abgelöst und in schmale Streifen geschnitten. Nach dem perfekten Reinigen der Rückseiten von Leimspuren wurden die Furnierstreifen mehrere Tage in wässrige Färbemittel eingelegt. Das Färbemittel setzte sich aus drei Farbtönen zusammen, die in unterschiedlichen Mengen miteinander vermischt wurden; schwarz, Eiche dunkel und zedernholzfarben. Der endgültige Farbton ergab sich erst durch mehrere Versuchsreihen. Nach dem Trocknen der gefärbten Furnierstreifen erfolgte ein Grundieren mit einer Hautleimtränke zum Verschließen der Poren und zum Anfeuern des Holzes. Anschließend starkes Frottieren erzielte eine Oberflächencharakteristik, die dem gealterten Originalfurnier sehr nahe kommt. Um eine dem Original ähnliche Oberfläche zu erhalten, wurden die eingepassten Furnierteile mit Petersburger Lack gestrichen, einem füllkräftigen und glänzenden Lack auf der Basis von Ethylalkohol mit darin gelösten Harzen. Nach dem Durchhärten des Lackes erfolgte ein Schliff mit extrem feinem Schleifleinen, wie es zum Polieren von Metallen verwendet wird.
Auch dieser Sockel für ein Bronzepferd aus der Werkstatt Antonio Susinis nach einem Entwurf von Giambologna wurde wohl erst im 18. Jahrhundert gefertigt. Die Herstellung unter Benutzung älterer Originalteile, wie den Steinintarsien aus der Castrucci-Werkstatt erinnert jedenfalls stark an den oben bereits besprochenen Kabinettschrank.
Die Steinintarsien waren sehr gelockert und mussten teilweise abgenommen, gereinigt und wieder eingebracht werden. An den abgelösten Teilen ließen sich starke Hinterschneidungen feststellen, wodurch sich die Einzelteile besser in der Mastix-Klebemasse verankern, die man bei der Fertigung der Intarsie auf die Schieferplatte geklebt hat, die als Trägermaterial dient.
Dieses reizvolle Kabinettschränkchen dürfte in derselben Werkstatt entstanden sein, wie das oben gezeigte Möbelchen mit den Castrucci-Tafeln. Das ergibt sich ziemlich zweifelsfrei aus der Verwendung derselben eingefärbten Olivenholzfriese, wie sie an dem ersten Stück auftreten. Die Ergänzung der auch hier zahlreich fehlenden Furnierteile wurde deshalb in der schon oben beschriebenen Weise vorgenommen.
Da auch bei den kleinen Ebenholzprofilen Verluste festzustellen waren, mussten Ergänzungen angefertigt werden. Dazu wurden zunächst in Ziehklingenstahl die benötigten Profile mittels winziger Feilen herausgearbeitet und diese dann wie Hobel verwendet. In vorgefertigte Ebenholzleisten mit rechteckigem Querschnitt wurden die Profile nach und nach eingearbeitet.
Die Reinigung des Möbels von Schmutz und von bei früheren Reparaturen eingesetzten Klebern, die Verleimung der gelockerten Marketerieplatten, die Befestigung des gelockerten Schildpatts, die Ergänzung fehlender Teile und die Wiederbefestigung gelockerter Teile an den Florentiner Steinintarsien nahmen insgesamt mehrere Monate in Anspruch.
Vielleicht könnten die bei der Restaurierung der drei vorgestellten Objekte gewonnenen Erkenntnisse genutzt werden, um etwas Licht in die Entstehungsgeschichte der Möbel zu bringen.
Für das Grüne Gewölbe und die Rüstkammer der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden restaurierte Jochen Voigt außerdem mehrere Objekte, die aus den Werkstätten der Egerer Intarsienkünstler stammen. Ein Beispiel soll hier vorgestellt werden.
Zu seinem Geburtstag erhielt der sächsische Kurfürst Johann Georg I. von seinem Sohn, dem Erbprinzen, ein Egerer Brettspiel geschenkt, das heute zu den schönsten Vertretern seiner Gattung zählt. Signiert ist das Kunstkammerstück von Johann Georg Fischer, einem hervorragenden Bildschnitzer und Intarsienschneider in Eger. Das Spiel trägt die Jahreszahl 1655. Das als Brettspielkassette ausgeführte Spiel besteht aus zwei füllungstragenden Rahmen, die durch zwei aus Messing gesägte und gravierte sowie feuervergoldete Scharniere miteinander verbunden sind.
Die Schauseite wird von einer Reliefintarsia dominiert, die mit unerhörtem Detailreichtum die Schlacht von Zama in Nordafrika thematisiert.
Die Füllung des zweiten Rahmens trägt außen das Damespiel. Dieser in flacher Intarsientechnik ausgeführte Spielplan darf als Wunderwerk flächiger Einlegekunst gelten. Die dunklen Felder zeigen 32 Obst- und Gemüsedarstellungen, die hellen Felder 32 verschiedene Blumen. Die Motive sind extrem feingliedrig mit Hilfe der Laubsäge gefertigt und anschließend mit zarten Punzen akzentuiert worden.
Klappt man den Spielkasten auf, kommt das Tricktrack zum Vorschein. Die fantasievoll gestalteten Keilfelder liegen auf einem üppig gravierten Fond aus hellem Ahornholz.
Auch die Rahmen der Brettspielhälften sind mit Dekor überzogen. Außen sind es Blumen in Reliefintarsientechnik, innen Blumen flach eingelegt.
Der komplett erhaltene Spielsteinsatz zeigt auf den hellen Exemplaren halbplastische Porträts deutscher Kaiser und Könige, auf den schwarzen Exemplaren Bildnisse römischer Kaiser. Die Rückseiten der Spielsteine sind mit Schriftkartuschen versehen, auf denen die Namen der Herrscher vermerkt sind. Schriftkartuschen und Porträts sind ebenfalls in der Technik der Reliefintarsia ausgeführt.
Die monatelange Restaurierung gab dem mit einem zwar durchsichtigen, inzwischen aber stark verbräunten, hochglänzenden Firnis überzogenen Objekt einen Großteil seiner Schönheit zurück. Der Firnis (vermutet wurde nach mehreren Lösungsmitteltests ein Überzug mit Sandarak, gelöst in Weingeist) wurde Zentimeter für Zentimeter von allen Holzflächen, auch von den Spielsteinen, abgenommen. Er war stellenweise so dick, dass alle Feinheiten wie zugeschwemmt waren. Dabei stellte sich heraus, dass das gesamte Gefüge der Schauseiten - Reliefintarsia stark gelockert war. Offenbar hatte aber die dicke Lack- bzw. Firnisschicht dafür gesorgt, dass keine Teilchen aus dem Verband herausgefallen waren. Hier musste deshalb parallel mit Injektionen von Hasenhautleim gefestigt werden. Schon nach wenigen Stunden der Lackabnahme wurde klar, dass eine völlig andere Anmutung entstand. Die verbräunte Firnisschicht hatte die Reliefintarsia in ein vermeintliches dunkles Lederrelief verwandelt. Nun wurde sichtbar, dass Johann Georg Fischer zahlreiche Holzarten und deren Kontrastwirkungen bewusst als künstlerisches Ausdrucksmittel eingesetzt hatte. Nach der Firnisabnahme traten außerdem feinste Punzierungen und Gravierungen im Holz zu Tage, die bislang kaum zu erkennen gewesen waren. Auch filigrane Metallsplitter, die den Funkenflug brennender Dächer darstellen sollten, sowie winzige Silberstifte kamen zum Vorschein.
Leider waren die plastischen Blumen auf den Rahmenschenkeln mit bunten Ölfarben übermalt. Mit Lösungsmitteln wurden diese Hinzufügungen entfernt. Schon nach kurzer Zeit bestätigte sich die Richtigkeit des eingeschlagenen Weges. Bereits nach den ersten Proben wurde deutlich, dass der „Restaurator“ mit seinen Übermalungen nicht den ursprünglichen Holzfarben gefolgt, sondern ganz willkürlich vorgegangen war. An einer Fehlstelle hatte er sogar Kirschen hinzugemalt, die nie an Egerer Brettspielen vorkommen. Allerdings kamen jetzt auch hunderte hell verkittete Anobienlöcher zum Vorschein, weshalb klar wurde, warum der „Restaurator“ die Übermalung gewählt hatte. Durch unsauberes Arbeiten waren nicht nur die eigentlichen Löcher, sondern auch Punzierungen mit Kittmasse ausgefüllt worden. Deshalb mussten auch noch die hellen Auskittungen entfernt und durch passendere ersetzt werden.
Nach Abschluss aller Arbeiten präsentiert sich das Spiel heute wieder als meisterliches Stück Egerer Intarsienkunst in einer Vitrine des Neuen Grünen Gewölbes im Dresdner Schloss.
Abbildungen (von oben nach unten)
Kabinettschränkchen mit Pietra Dura Arbeiten der Gebrüder Castrucci aus Prag, Ansicht nach Abschluss der Restaurierung.
Detailaufnahme vom Schränkchen. Die Säulen bei der Elfenbeinfigur bestehen aus Bergkristall.
Einzelne Pietra Dura-Tafel mit Landschaftsdarstellung. Für die einzelnen Bildteile wurden vor allem böhmische Schmucksteine verwendet.
Beschädigter Sockel mit Pietra Dura-Platten während der Restaurierung, aus verschiedenen Richtungen fotografiert.
Gelockerte Teile der Bildplatten werden gescannt, gereinigt und wieder eingesetzt.
Ein zweites Schränkchen mit Pietra Dura-Platten, Ansicht nach Abschluss der Restaurierung.
Blick in die Mittelnische des Schränkchens mit Darstellung einer Bühne.
Schubkasten mit Pietra Dura-Platte aus Florenz, auf dieser die Darstellung eines Kamels.
Egerer Brettspiel Johann Georg Fischers mit Darstellung der Schlacht bei Zama. Aufnahme nach Abschluss aller Restaurierungsarbeiten.
Detail von der Intarsienfüllung: eine Fliege in natürlicher Größe ist aus vielen Holzteilchen zusammengesetzt.