Neben zwei Reliefintarsien von Adam Eck und einem Kabinettschränkchen des Meisters mit dem ornamentierten Hintergrund restaurierte Jochen Voigt auch ein bemerkenswertes Spiegelkabinett mit Reliefintarsien aus Eger für das GRASSI Museum in Leipzig.
Die Restaurierung dieses außergewöhnlichen Möbels erfolgte 1997/98 unmittelbar vor der Ausstellung „Für die Kunstkammern Europas: Reliefintarsien aus Eger“ im GRASSI Museum für Angewandte Kunst Leipzig. Die damals gemachten Beobachtungen stützten die Hypothese, dass es sich bei dem Untergestell um eine spätere Hinzufügung handelt. Allerdings stammt es nicht, wie sonst häufig an Kabinettschränken zu beobachten, aus dem 19. Jahrhundert, sondern aus dem 18. Jahrhundert.
Die Restaurierung umfasste die Neuverklebung zahlreicher stark gelockerter Teile (so mussten beispielsweise sämtliche Halbsäulen, Pilaster und Flammleisten im Inneren des Kabinetts abgenommen, von Leimspuren gereinigt und anschließend wieder befestigt werden) und vor allem die Festigung der vom Untergrund abgehobenen Reliefintarsienteile. Da sich die (meisten) Intarsientafeln nicht herausnehmen ließen, mussten alle Verklebungen im Inneren des großen und schweren Korpus’ erfolgen.
Jochen Voigt publizierte in seinem Ausstellungsbegleitbuch von 1998 (siehe unter „Forschung“) einen Aufsatz und zahlreiche Detailaufnahmen zu diesem Möbel. Zum damaligen Zeitpunkt ging man noch davon aus, dass der Kabinettschrank für die Familie der Freiherren von Erffa gefertigt wurde, in der sich das Möbel lange Zeit befand. Jochen Voigt verwies das Möbel aus stilistischen Gründen an die Werkstatt des Hauptmeisters Adam Eck.
Jahre später entdeckte die Leipziger Historikerin Dr. Sabine Scheider während ihrer Nachforschungen zur Baugeschichte des Schlosses Rötha Unterlagen, die Bezug nehmen auf den Kauf des Kabinettschrankes durch Carl Freiherr von Friesen, Präsident des sächsischen Oberkonsistoriums. Zumindest legte eine beigefügte eigenhändige Zeichnung Adam Ecks nahe, dass es sich um dieses Möbel handeln könnte. Den Unterlagen war die Rechnung beigefügt, auf der Adam Eck 1662 den Empfang von 174 Reichstalern quittiert hatte. Der spannende Fund wurde allerdings noch nicht in der Möbelliteratur publiziert.
Anlässlich der in München für 2022 geplanten Ausstellung „Allerley Kunststück – Reliefintarsien aus Eger“ befasste sich Jochen Voigt noch einmal eingehend mit dem Fund Schneiders. Nicht nur, dass im Ergebnis eine zweite Zeichnung Adam Ecks ausgewertet werden konnte, auch die von Schneider publizierte Kabinettschrankskizze führte nun zu weiteren Erkenntnissen.
„Heute ist von dem Prachtstück nur das obere Kabinettteil erhalten. Der Aufsatz, alle Türen und der gesamte Unterbau sind verloren – bis auf eine Ausnahme: Betrachtet man die Zeichnung Adam Ecks genauer, dann erkennt man im unteren Teil des Schrankes einen Kasten, der mit Bergwerksdarstellungen bestückt ist. Man erkennt Bergknappen bei ihrer Arbeit, wohl unter Tage. Vermutlich soll es sich um reliefintarsierte Szenen handeln. Links und rechts davon sind Trinkgläser und Vorratsflaschen sowie ein Weinkühler mit Flaschen zu sehen – eine Art Hausbar im Barockzeitalter. Vielleicht handelt es sich um einen Nutzungsvorschlag, denn es ist kaum davon auszugehen, dass Eck den Schrank mit diesem Inhalt geliefert hat.“ [...]
„Eine spannende Frage ist die nach dem Verbleib des unteren Kastens mit Bergwerkcharakter. Als der Verfasser vor 25 Jahren mit dem einstigen Besitzer des Kabinetts korrespondierte, konnte sich dieser sehr lebhaft daran erinnern, seit Kindheitstagen beim Kabinettschrank noch ein weiteres Egerer Objekt gesehen zu haben. „In Wernburg (gemeint ist das Schloss Wernburg bei Pösneck in Thüringen) stand immer, solange ich denken kann, auf dem [Kabinett]Schrank ein im Querschnitt ungefähr quadratisches, nach hinten etwa anderthalbfach so langes – ich möchte sagen „Möbel“, außen schwarz-glatt in Ebenholzmanier wie der große Schrank, innen an den beiden Längsseiten sowie auf der [...] Rückwand mit Reliefs von Bergarbeitern geschmückt, die unter Tage verschiedene Arbeiten ausführen. [...] Wir nannten das Ganze „das Bergwerk“ und es mag für den Besitzer eines solchen gearbeitet worden sein.“
Jetzt kann es durch Kenntnis der Zeichnung als erwiesen gelten, in dem „Bergwerk“ aus Kindheitstagen das originale untere Teil des Möbels von Adam Eck zu sehen. Beide Objekte wurden 1990 in London versteigert, bedauerlicherweise einzeln, und während der Erffa-Kabinettschrank später in das GRASSI Museum gelangte, ging das „Bergwerk“ an einen heute unbekannten Besitzer über.
Auf erhaltenen Fotografien des „Bergwerkes“ ist zu erkennen, dass die Figuren wohl etwas gröber gearbeitet sind, als wir es von Adam Eck persönlich kennen. Auch der letzte Besitzer hatte diesen Eindruck geäußert. Weil sich an einem Kabinettschrank aus der Werkstatt Johann Carl Haberstumpfs im Museum Burg Rožmberk ein ebenfalls als Stollenmundloch ausgeführtes Mittelgelass befindet, führte dies zur (falschen) Vermutung, auch das „Bergwerk“ müsse in dieser Werkstatt entstanden sein.
Wie wir jedoch zwei Jahrzehnte später wissen, gab es verschiedene Handschriften innerhalb der Adam Eck-Werkstatt, wodurch sich die etwas gröbere Ausführung erklärt und keinen Widerspruch darstellt. Eine Zusammengehörigkeit von Kabinett und „Bergwerk“ ergibt sich auch durch die zweifache Verwendung eines Spiegelglases, eingelassen im Fußboden des jeweiligen Objekts. Im großen Kabinettkasten lässt der Spiegel den Betrachter die an der Unterseite der Empore versteckten Reliefintarsien entdecken, im „Bergwerk“ eine Zeichnung am Gewölbebogen. Man muss bedenken, dass sich in der Originalsituation das „Bergwerk“ ziemlich weit unten befand, weshalb man nur schwer an die Gewölbedecke schauen konnte – der Spiegel machte es möglich. Im Übrigen war das „Bergwerk“ auch an seinen inneren Seitenwänden mit Spiegeln ausgestattet, wodurch sich die jeweils gegenüber angebrachten Bergleute und Felsen doppelten. Die enorme Tiefe von 82,5 Zentimetern, die exakt mit dem verspiegelten Kabinettaufsatz konform geht, dürfte tatsächlich an ein dunkles Stollenmundloch erinnert haben. Vielleicht hat man in Gegenwart von Gästen mit einer Kerze hineingeleuchtet, deren Licht sich dann in den Spiegelgläsern vervielfachte – eigentlich eine schöne Vorstellung.
Wahrscheinlich muss man die starke Veränderung des Möbels mit seinem Übergang in den Besitz der Familie von Erffa in Verbindung bringen. Von Friesen starb 1686 und das Fußgestell folgt einer Mode, die sich um 1700 ausbreitete. Wenn der Umbau tatsächlich im 18. Jahrhundert erfolgte, erscheint das Fehlen jeglicher Erinnerung innerhalb der Familie von Erffa verständlich. Dass und wie die Teile einstmals zusammengehörten, ist schlicht in Vergessenheit geraten. Wahrscheinlich war es seinem kuriosen Wesen geschuldet, dass man das nicht mehr gebrauchte „Bergwerk“ trotzdem bewahrte.
Die Zeichnung Adam Ecks weicht etwas vom erhaltenen Original ab, wobei es sich wahrscheinlich um einen Vorschlag handelte, der noch ein wenig verändert bzw. präzisiert wurde.“
(Auszug aus dem Aufsatz von Jochen Voigt: Der kunstreiche Meister, in: Eva Haupt, Jochen Voigt, Sybe Wartena: Allerley kunststück. Reliefintarsien aus Eger, Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung im Sudetendeutschen Museum München, München 2022, S. 160 ff.)